(Zwischenspiel aus „Wer das liest ist doof“ – Vorabfassung)
Der Türhüter (für sich): Merkwürdig. Soetwas ist mir ja noch nie passiert. Da kam doch glatt einer dieser Anarchisten und wollte eingelassen werden. Und das ohne Termin! Was denkt der sich? Hier kann ja nicht jeder einfach aufkreuzen wie es ihm gerade beliebt.
(sammelt sich einen kurzen Moment)
Da komme ich gerade aus der Frühstückspause zurück, da klingelt es an der Tür. Ich öffne und frage den bärtigen Mann davor nach seinem Begehr. Sagt er mir, er komme um Akteneinsicht zu nehmen. Ich frage ihn nach seiner Terminbestätigung. Worauf er nur meint, er habe sich angekündigt. Ich sage ihm, dass er eine Terminbestätigung braucht, um Einlass in die Geschäftsstelle zu verlangen. Ob eine Bestätigung existiere, das wisse er gerade nicht, es könne ja sein, dass diese bereits unterwegs zu ihm sei. Als er aufbrach um seiner Ankündigung gerecht zu erscheinen, da sei jedenfalls noch keine bei ihm eingetroffen, entgegnet er mir mit einer Schlagfertigkeit, als habe er sich auf ein derartiges Kräftemessen bereits vorbereitet. Ohne Terminbestätigung könne ich ihm keinen Einlass gewähren, wiederholte ich und sprach die Worte dabei besonders langsam und deutlich aus.
Doch der Mann schien nicht meine Sprache zu sprechen. Zwar kamen aus seinem Mund allerhand Worte, die mir sehr wohl bekannt waren, nur machten sie keinen Sinn. Vielleicht könnten Sie die Freundlichkeit besitzen nachzufragen, ob ich einen Termin habe, entgegnete er mir frech grinsend, ganz so als würde er ernsthaft erwarten, dass ich das tun würde. Wenn Sie einen Termin hätten, dann hätten Sie auch eine Terminbestätigung erhalten. Sprechen Sie nicht die deutsche Sprache?, fragte ich ihn und wurde langsam ungehalten.
In Ordnung, entgegnete da der Mann und für einen kurzen Moment dachte ich, der Spuk wäre vorbei. Aber dann fuhr er fort: Versuchen wir es doch noch einmal von vorne: Ich hatte mich bei Ihnen angekündigt, um Akteneinsicht auf der Geschäftsstelle zu nehmen. Ist das denn möglich?, fragte er und seine Augen schienen mich lauernd zu mustern. Langsam wurde es mir zu bunt. Haben – Sie – eine – Terminbestätigung?, schrie ich. Nein, antwortete mir der bärtige Mann ganz ruhig. Er machte mich rasend. Dann – ist – es – nicht – möglich – Einlass – in – die – Geschäftsstelle – zu – erhalten. Aber Sie haben gerade Geschäftszeiten, richtig? Ich konnte förmlich spüren, dass ich in die Falle tappte, aber weil ich langsam an der Sturheit des Mannes verzweifelte und nur noch wollte, dass das Gespräch bald vorbei wäre, antwortete ich: Ja. Sehr gut, antwortete da der Mann mit einem schelmischen Grinsen. Da komme ich ja gerade zur rechten Zeit. Kann ich also mit irgendjemandem sprechen, um einen Termin zu vereinbaren?
Innerlich sah ich mich bereits mit meinem Schlagstock auf den Mann einprügeln, bis er endlich die Klappe halten und gehen würde. Aber ich blieb ruhig und schrie noch etwas lauter als zuvor: HABEN – SIE – EINE – TERMINBESTÄTIGUNG? – SPRECHEN – SIE – NICHT – DIE – DEUTSCHE – SPRACHE? Die Belustigung schien aus dem Gesicht des Mannes zu weichen. Vielleicht war es soetwas wie Mitleid, das sich stattdessen auf seinem Gesicht ausbreitete. Er hob zu sprechen an, unterbrach sich jedoch noch, bevor er den ersten Laut hervorgebracht hatte. Fast beiläufig fragte er stattdessen: Wie macht man denn einen Termin aus, auf Ihrer Geschäftsstelle?
Ja, wie machte man das eigentlich? Für einen kurzen Moment flaute mein Zorn ab. Ich vermute, da müssen Sie schriftlich um einen Termin ersuchen.
Die Augen des bärtigen Mannes blitzten wild. Erbarmungslos musterte er mich, wie ich in der Tür stand, und wie er mich so herausfordernd ansah, da flammte auch mein Zorn wieder auf, mächtiger als zuvor kehrte er zurück, während der Mann zu sprechen anhob.
Ich fasse also zusammen, begann er, und beim Klang seiner Stimme lief es mir kalt den Rücken hinunter, ich stehe hier vor den Toren der General-SA, zu Geschäftszeiten. Ich nickte, aus irgendeinem Grund konnte ich nicht anders, wie eine Marionette bewegte ich meinen Kopf. Ich möchte gerne einen Termin vereinbaren, aber um mit jemandem sprechen zu können, der einen Termin mit mir vereinbart, da brauche ich eine Terminbestätigung. Wie eine Marionette nickte ich weiter. Mein Zorn begann sich ins Unermessliche zu steigern, noch ein Wort und ich war bereit loszuprügeln. Ich, der Türhüter, ich würde all jene zu Brei schlagen, die da alltäglich kamen, um mich herauszufordern. Ich war unbesiegbar. Keiner war je an mir vorbei gekommen.
Also gut, endete mein Widersacher. Er drehte sich auf dem Absatz um, ging einige Schritte und obwohl ich ihm keinen Schemel angeboten hatte, da setzte er sich plötzlich auf den Boden, zog ein Stück Papier und einen Stift aus seiner Tasche und begann zu schreiben.
Ich schloss die Tür.
Plötzlich klingelte es an der Tür. Ich öffnete. Der bärtige Mann stand davor, doch noch bevor ich Luft holen konnte, da drückte er mir einen Zettel in die Hand, machte kehrt und war verschwunden.
(Verdutzt starrt der Türhüter auf ein Blatt Papier in seiner Hand, dann liest er vor)
„Ich ersuche Sie um einen Termin, um einen Termin auf Ihrer Geschäftsstelle zu vereinbaren. Bitte senden Sie mir eine Terminbestätigung.“
(Der Türhüter lässt sich auf einen Schemel fallen. Völlig erschöpft fällt er in einen Tiefschlaf)